STELLUNGNAHME // Netzwerk und Liga: Positionspapier zu Kürzungen

In einer Sondersitzung des Jugendhilfeausschusses am 29.11.2022 und in einer Videokonferenz am 30.11.2022 informierte die Verwaltung zum überarbeiteten Beschlussvorschlag zur Maßnahmeplanung für den Jugendhilfeausschuss am 06.12.2022. Im Ergebnis müssen wir feststellen, dass der Vorschlag als Zwischenlösung zu bewerten ist. Wir würdigen die Information dahingehend, dass die Einwände, Rückmeldungen und Kritik der betroffenen Träger der freien Jugendhilfe, der Dachverbände und der übergreifenden Fachlichkeit Gehör fanden und an einem Versuch einer Lösung bis zur Haushaltsklarheit gearbeitet wurde. Bei einer Mehrheit zur Beschlussvorlage im Jugendhilfeausschuss kann das nur bedeuten, dass die Stadt Chemnitz aufgefordert ist, eine nachhaltige Lösung zu finden, die die Finanzierung der gesamten beantragten Angebote und Leistungen sichert. Eine Weiterfinanzierung für vier Monate ist aus unserer Sicht zu wenig und rechtlich nicht haltbar. Wir möchten im Folgenden unsere faktischen Einschätzungen dazu darlegen.

Anwendung der Förderkonzeption
Die Anwendung der Förderkonzeption halten wir in der derzeitigen Phase der Haushaltsaufstellung für rechtlich nicht gedeckt. Zum einen kritisieren wir die fehlende Haushaltstransparenz, denn es ist nicht bekannt, woraus die Höhe des einzusparenden Defizits im Bereich des Jugendamtes resultiert. Zum anderen müssen Haushaltsmittel tatsächlich fehlen, damit eine Ermessensausübung in Betracht kommt. Im Bereich der Kinder und Jugendhilfe darf nicht aufgrund von politischen Entscheidungen gekürzt werden, wenn andere freiwillige Bereiche weiterfinanziert werden. Im Weiteren denken wir, dass die Förderkonzeption fehlerhaft ist, denn sie unternimmt keine Abgrenzung, welche Jugendhilfeangebote jenseits der zwingenden gesetzlichen Leistungen für eine Bedarfsdeckung in der Stadt Chemnitz gebraucht werden, also wünschenswert sind. Nur dort kann die Förderkonzeption unter Beachtung der im Jugendhilfeplan verankerten Bedarfe eingesetzt werden.

Missachtung des Jugendhilfeplans
Im Oktober 2022 wurde durch den Stadtrat der Jugendhilfeplan für die Jahre 2022 – 2027 beschlossen. Das ist die Fachplanung des Jugendamtes und trägt dazu bei, die Ziele der Jugendhilfe zu verwirklichen. Richtig ist, dass aus der Jugendhilfeplanung keine Ansprüche auf Einzelförderung abgeleitet werden können. Sie entfaltet aber Bindungswirkung dahingehend, dass die Stadt Chemnitz verpflichtet ist, den darin benannten und geplanten Bedarf an Angeboten und Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe zu finanzieren. Kann die Kommune das nicht, muss die Jugendhilfeplanung vor einer Einschränkung des Angebotes angepasst werden. Zum Beispiel ist in der Jugendhilfeplanung klar definiert, dass für 1.500 Kinder und Jugendliche eine Freizeiteinrichtung zur Verfügung stehen soll. Der Leistungsbereich des §11 SGBVIII ist eine Pflichtaufgabe, die in einem bedarfsdeckenden Umfang zu finanzieren ist, eine Unterschreitung ist nicht möglich. Des Weiteren wurde mit Beschluss des Jugendhilfeplans fixiert, dass die Familienzentren verstetigt und ausgebaut werden sollen. Die im Raum stehende Kürzung läuft dieser Festlegung diametral entgegen und ist damit ein Verstoß.

Insgesamt erfolgt die Umsetzung der Jugendhilfeplanung laut Punkt 5 mit dem Schwerpunkt des Ausbaus präventiver, niedrigschwelliger, sozialräumlicher Angebote. Eine Einstellung der Beratungsstelle „Prisma“, als niedrigschwelliges Angebot am Übergang von Schule zu Beschäftigung, das nachweislich prekäre Lebensläufe vermeidet, ist daher abzulehnen. Auch mit der Entscheidung, die Integrationsbegleitungen an Grundschulen abzubauen, werden die Handlungsziele der Handlungsfelder 3 und 5 nicht beachtet. Förderrichtlinien definieren die örtlichen Fördergrundsätze In der Fachförderrichtlinie „Jugend, Soziales und Gesundheit – FRL JSG“ ist festgelegt: „Beabsichtigt die Verwaltung, die Förderung des beantragten Projektes, Dienstes bzw. Leistung nicht zur Beschlussfassung vorzuschlagen oder bisher geförderte Arbeitseinheiten zu reduzieren, so wird der Antragsteller bis mindestens sechs Monate vor Beginn des Förderzeitraumes schriftlich unterrichtet und angehört.“ Die betroffenen Träger der freien Jugendhilfe wurden am 17.11.2022 per Email informiert und aufgefordert, geeignete Maßnahmen zur Abwicklung des Angebotes einzuleiten. Das widerspricht der Festlegung in der Förderrichtline, die nach unserer Auffassung einen Vertrauensschutz für die betroffenen Träger der freien Jugendhilfe begründet.

Des Weiteren ist in Punkt 8 festgelegt: „Die Stadt Chemnitz beteiligt die örtliche Liga der Wohlfahrtsverbände an den Prozessen zur Sozialplanung. Die zuständigen Stellen unterrichten die örtliche Liga mehrmals jährlich zu den Erfordernissen und zum allgemeinen Stand der Fördermittelbearbeitung. Die Liga nimmt zu sozialplanerischen Fragen und zur Vergabe von Fördermitteln Stellung. Die fachlich zuständigen Beiräte werden in gleicher Weise einbezogen.“ Eine Einbeziehung der Liga und insbesondere der zuständigen Beiräte ist nicht erfolgt. Hierbei handelt es sich jedoch nicht um eine Kann- Bestimmung oder eine weiche Regelung nach finanzieller Lage, sondern um eine Festlegung in der grundlegenden Förderrichtlinie.

Fazit
Im Fazit kommen wir zu der Auffassung, dass eine Kürzung der Leistungen und Angebote der Kinder- und Jugendhilfe im Jahr 2023 nicht möglich und rechtswidrig ist. Wir fordern die Stadtverwaltung auf, durch entsprechende Maßnahmen und Umplanungen eine rechtssichere Haushaltsaufstellung zu gewährleisten.

Nachbemerkung:
Wir haben in diesem Positionspapier weitestgehend auf fachliche Aspekte verzichtet und uns stärker auf juristische Argumente konzentriert. In der Kürze der Zeit bis zur Beschlussfassung am 06.12.2022 erscheinen diese entscheidenden Punkte prägnanter. Wir gehen davon aus, dass die Ad- Hoc Empfehlung des Ethikrates zur Versorgungssituation junger Menschen, die Einschätzung von Hr. Prof. Udo Rudolph (TU Chemnitz) und verschiedene Artikel in der Regionalpresse die fachliche Notwendigkeit der Angebote ausreichend verdeutlich haben.

 

Liga der Spitzenverbände der freien Wohlfahrtspflege in Chemnitz
Die Liga der freien Wohlfahrtspflege in der Stadt Chemnitz ist der Zusammenschluss der sechs Spitzenverbände auf kommunaler Ebene. Zu diesen gehören die Arbeiterwohlfahrt Kreisverband Chemnitz und Umgebung e.V. (AWO), der Caritasverband für Chemnitz und Umgebung e.V., die Diakonie- Stadtmission Chemnitz e.V., das Deutsche Rote Kreuz Kreisverband Chemnitz e.V. (DRK), der Landesverband Sachsen der jüdischen Gemeinden und der Paritätische Wohlfahrtsverband, Landesverband Sachsen e.V..
Darüber hinaus arbeiten in der Stadt Chemnitz der Arbeiter- Samariter- Bund Ortsverband Chemnitz und Umgebung e.V. (ASB) sowie die Volkssolidarität Stadtverband Chemnitz e.V. beratend als ständige Mitglieder mit.
Kontakt für Rückfragen: Sprecherin Fr. Karla McCabe, 0371/ 4334-0,

Netzwerk für Kultur- und Jugendarbeit
Das Netzwerk für Kultur- und Jugendarbeit e. V. ist ein freiwilliger Zusammenschluss von vorwiegend gemeinnützigen Vereinen, Verbänden und Initiativen in Chemnitz. Wir handeln auf der Grundlage von demokratischen Entscheidungen sowie offenen und transparenten Arbeitsstrukturen. Der Verein lebt vom aktiven Mitwirken seiner mehr als 70 Mitglieder. Das Netzwerk für Kultur- und Jugendarbeit e. V. verfolgt den Zweck der Förderung und Unterstützung von Kunst und Kultur, insbesondere Soziokultur, demokratischer Bildung sowie von Jugendarbeit und Jugendhilfe. Der Verein ist parteilich unabhängiger Interessenvertreter seiner Mitgliedsvereine. Die Vernetzung und Bündelung von Ressourcen sind Ansprüche, die in der täglichen Arbeit realisiert werden.
Kontakt für Rückfragen: Gregor Richter, 01573-1839491,

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